Wie geht denn eigentlich Segelfliegen?

Um frei wie ein Vogel zu fliegen, muß die Erdanziehungskraft überwunden werden. Dazu benötigt jedes Flugzeug Auftrieb. Dies gilt für alle Flieger: vom Ultraleicht bis zum Jumbo. Der Auftrieb wird durch das Profil der Tragflächen erzeugt. Voraussetzung ist, dass das Profil von Luft umströmt wird. Diese Umströmung könnte man salopp als 'Fahrtwind' umschreiben. Ein Motorflugzeug 'zieht' sich mittels Propeller durch die Luft und erzeugt so den nötigen 'Fahrtwind', aber ein Segelflugzeug?

Der eigentliche Antrieb ist die Höhe. Zum Vergleich kann man sich einen Fahrradfahrer auf einer leicht abschüssigen Straße vorstellen. Der Fahrer kann mühelos, ganz ohne zu treten, seine Geschwindigkeit halten. Beim Segelfliegen ist es ähnlich: Es geht ständig bergab!

Der 'Fahrtwind' strömt dabei um die Tragflächen, und sorgt so für den aerodynamischen Auftrieb. Für die Physiker ist das ganz einfach: Es wird potentielle in kinetische Energie umgewandelt.
Ein Segelflugzeug sinkt im Normalflug mit etwa 70 cm pro Sekunde, um den nötigen Auftrieb zu erzeugen. Die
Fluggeschwindigkeit beträgt dabei etwa 100 km/h. Ein Segelflugzeug kann so auch gegen den Wind fliegen. Anders als beim Segeln auf dem Wasser ist es aber besser, wenn nur wenig Wind weht.

Der Segelflieger (*) kann sein Flugzeug im Gleitbereich ganz nach seinen Wünschen überall hin steuern, muß allerdings Verkehrsflughäfen und anderen Sperrgebieten ausweichen. Den Landepunkt kann man sehr gezielt anfliegen. Ein geübter Flieger schafft dies auf wenige Meter genau.

Die Ausgangshöhe für den Flug wird mittels Windenstart oder Schleppflugzeug erreicht. Nach dem Ausklinken sucht der Segelflieger in der Platzrunde nach Thermik.
Thermik ist von der Sonne erwärmte Luft, die vom Boden aufsteigt. Fliegt das Flugzeug in die Thermik ein, so 'nimmt' die steigende Luftmasse den Flieger mit nach oben. (minus dem Eigensinken für den Auftrieb, s.o.) Die Steigwerte betragen in der Regel zwischen 1 und 3 Meter pro Sekunde (m/s)
Da die Thermik nur eine kleine 'Luftblase' oder 'Luftschlauch' ist, muß der Segelflieger zum
Steigen in der Thermik kreisen. Dieses Patent wurde in den 50er Jahren den Vögeln abgeguckt.

Ein Produkt der Thermik sind Quellwolken: Die aufsteigende Luft kühlt ab und die Luftfeuchtigkeit kondensiert. Segelflieger steuern also bevorzugt diese Wolken an, um darunter die Thermik zu finden. In der Praxis hat man den Eindruck, die Wolken würden den Flieger 'ansaugen'. So eine typische Frage im Flugfunk: "Wie zieht deine Wolke?"
Normalerweise kann man unter den Quellwolken eine
Höhe von 1.000 bis 1.500 Meter erreichen. Diese gewonnene Höhe nutzt man dann als Energie für den weiteren Flug.
Traumwetter für Segelflieger: viele kleine Quellwolken, gleichmäßig und hoch am kräftig blauen Himmel verteilt.

Gleitwinkel: Ein Standardklasseflugzeug 'verbraucht' etwa 1000 Meter Höhe, um 40 km Strecke zurückzulegen. Und, innerhalb dieser Strecke sind die Chancen recht gut neue Thermik zu finden. Dann kann man sich wieder hochkurbeln und weiter fliegen, oder zum Flugplatz zurückkehren.
Der sportliche Anreiz beim Segelfliegen besteht darin, die Thermik so auszunutzen, dass man entweder eine möglichst große Strecke fliegt, oder eine vorgegebene Strecke möglichst schnell bewältigt.

Streckenflüge haben normalerweise Dreiecksform. Abends landet man gewöhnlich wieder zuhause am Flugplatz. Die Streckengröße variiert je nach Thermik und Pilotenerfahrung von 50 bis 500 km oder mehr.

Früher mußten die Wendepunkte fotografiert werden, heute erfolgt die Dokumentation mittels GPS. Es gibt verschiedene Wettbewerbe, bei denen die Piloten ihr Können aneinander messen.
Der
Weltrekord in freier gerader Strecke (1.456 km, Hans Werner Große) wurde 1972 von Lübeck nach Biarriz, im Südwesten Frankreichs, geflogen.
Falls es einmal nicht bis nach Hause reichen sollte, landet man auf dem nächsten Flugplatz, einer geeigneten Wiese oder Acker. Solche
Aussenlandungen sind an sich normal, für den Piloten ist es aber oft aufregend, manchmal sogar recht abenteuerlich. Flugzeug und Pilot werden dann per Auto abgeholt.

Wer darf fliegen?
Lernen kann man(n) und Frau das Segelfliegen ab dem 14. Lebensjahr, den Luftfahrerschein kann man ab dem 17. Lebensjahr erwerben. Doch auch mit 50 Jahren ist es noch nicht zu spät, es dauert eben nur ein bisschen länger, bis man das fliegerische Gefühl entwickelt.
Wichtige Voraussetzung ist jedoch die
Fliegertauglichkeit. Die ist aber bei den meisten Menschen gegeben - selbst mit Brille.

Was kostet es?
Im Verein ist das Fliegen am günstigsten. Im Jahresdurchschnitt reichen grob über den Daumen 100,- DM monatlich aus. Das beinhaltet dann den Vereinsbeitrag und die Fluggebühren. Man muß sich jedoch an den allgemein anfallenden Arbeiten beteiligen. Flugbetrieb findet in der Regel am Wochenende statt.

Bei kommerziellen Flugschulen fliegt man in Kompaktkursen überwiegend in der Woche. Es ist teurer als im Verein, man ist aber mit der Ausbildung auch schneller fertig.
Ein Normalbegabter hat in der Regel nach zwei Wochen oder etwa 50 Starts Alleinflugreife, im Verein braucht man dafür etwa eine Saison und ein paar Starts mehr.

Wo kann man Segelfliegen?
Interessenten sollten einfach mal den nächsten Segelflugplatz besuchen. Gastflüge sind fast überall preiswert zu bekommen, einige Vereine wie z.B. der Aero-Club von Lübeck bieten auch Schnupperkurse an.

Ist Segelfliegen gefährlich?
Nein, oder zumindest nicht gefährlicher als andere Flugsportarten. Das Luftfahrtbundesamt sorgt mit viel Bürokratie für sichere Flugzeuge. In Verbindung mit einer guten Pilotenausbildung ist ein Segelflugzeug ein zuverlässiges Sportgerät. Ein Restrisiko läßt sich aber auch beim Segelfliegen nicht völlig ausschließen.

(*) Alle männlichen Angaben gelten gleichermaßen für die SegelfliegerIN.

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